Sozialversicherungsstatus eines Fahrradkuriers

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hatte zu entscheiden, ob es sich bei der Tätigkeit als Fahrradkurier um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handelt. So ist es nach Auffassung des LSG nicht wichtig, welche Art von Verträgen normalerweise in dieser Branche verwendet werden oder was als „übliche Praxis“ angesehen wird. Auch die Vorstellung davon, wie typischerweise der Beruf eines Kuriers aussieht, oder die Tatsache, dass diese Arbeit oft nur kurzzeitig, nebenher oder von Studenten ausgeführt wird, sind nicht entscheidend. Für die Beurteilung der Selbstständigkeit ist vielmehr ausschlaggebend, wie die Arbeit tatsächlich ausgeführt wird und in welchem Verhältnis der Kurier zum Auftraggeber steht. Dabei unterscheidet man, ob er eigenständig agiert oder Weisungen des Auftraggebers folgt. Die Tätigkeit eines Kurierfahrers ist demnach sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch als selbstständige Arbeit möglich.

Die LSG-Richter kamen zu der Entscheidung, dass in dem vorliegenden Fall die Fahrradkuriere abhängig beschäftigt waren. Maßgebliches Indiz für eine abhängige Beschäftigung war die Eingliederung in den Betrieb in zentralen Punkten. Dies stellt ein eigenständig zu betrachtendes Indiz neben einer Weisungsgebundenheit der Tätigkeit dar. Eine abhängige Beschäftigung war bei den mit den Botenfahrten betrauten Kurieren daher nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass diese bei ihren Einsätzen in Bezug auf den organisatorischen und zeitlichen Ablauf der jeweiligen Tour und die Routenführung keinem arbeitgebertypischen Weisungsrecht unterlagen.

Schulungsanspruch des Betriebsrats – Webinar oder Präsenzschulung

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz haben Betriebsräte Anspruch auf für die Betriebsratsarbeit erforderliche Schulungen, deren Kosten der Arbeitgeber tragen muss. Davon können Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein auswärtiges Präsenzseminar auch dann erfasst sein, wenn derselbe Schulungsträger ein inhaltsgleiches Webinar anbietet.

Die Richter des Bundesarbeitsgerichts führten dazu aus, dass ein Betriebsrat bei der Beurteilung, zu welchen Schulungen er seine Mitglieder entsendet, einen gewissen Spielraum hat. Dieser umfasst grundsätzlich auch das Schulungsformat. Dem steht nicht von vornherein entgegen, dass bei einem Präsenzseminar im Hinblick auf die Übernachtung und Verpflegung höhere Kosten anfallen. Das gilt auch für Personalvertretungen.

Sonderzahlungen – Berücksichtigung beim Mindestlohn

Der Mindestlohnanspruch ist unabhängig vom arbeitsvertraglichen Entgeltanspruch und entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde. Dabei sind alle im Arbeitsvertrag stehenden Entgeltleistungen des Arbeitgebers geeignet, den Mindestlohnanspruch zu erfüllen. Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt, erfüllen den Mindestlohnanspruch dagegen nicht.

Nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg kann der Arbeitgeber nicht eigenmächtig entscheiden, bisherige Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld in monatliche Raten aufzuteilen und diese Beträge dann anteilig auf den gesetzlichen Mindestlohn anzurechnen. Auch ein vom Arbeitgeber gezahlter Arbeitgeberanteil an den vermögenswirksamen Leistungen ist nicht mindestlohnwirksam.

Befristet Beschäftigte haben Anspruch auf Nennung der Kündigungsgründe

Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer ist über die Gründe der ordentlichen Kündigung seines Arbeitsvertrags zu informieren, wenn vorgesehen ist, dass Dauerbeschäftigten diese Information mitgeteilt wird. Eine nationale Regelung, die vorsieht, dass nur Dauerbeschäftigte über die Kündigungsgründe informiert werden, verstößt nach der Auffassung der Richter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen das Grundrecht des befristet beschäftigten Arbeitnehmers. Zudem kommt der EuGH zu dem Schluss, dass die Dauer eines Arbeitsverhältnisses keine Benachteiligung von zeitlich befristet eingestellten Mitarbeitern rechtfertigen kann.

Mängel an Photovoltaikanlage verjähren nach 5 Jahren

Die Aufstellung einer Photovoltaikanlage, die fest mit dem Dach verbunden worden ist, stellt ein Bauwerk da. Damit beträgt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche 5 Jahre und beginnt mit der Abnahme der Anlage. Diese kann z.B. auch durch die stillschweigende und vorbehaltlose Bezahlung der Rechnung erfolgen. Wird ein Mangel jedoch arglistig verschwiegen, verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist. Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Käufer Kenntnis von der Mangelhaftigkeit erlangte.

Nichtbeachtung einer Formvorschrift

Mündlich abgeschlossene Verträge können grundsätzlich rechtsverbindlich sein. Das gilt aber nicht, wenn das Gesetz eine besondere Form für den jeweiligen Vertrag vorschreibt. In einem vom Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) entschiedenen Fall ging es um einen Verbraucher-Bauvertrag, welcher der Textform bedarf.

In dem Fall aus der Praxis verlangte ein Bauunternehmer von der Bauherrin die Zahlung offener Rechnungen über rund 80.000 € für die Errichtung einer privat genutzten Doppelhaushälfte. Diese hielt dagegen die Bauarbeiten für mangelhaft und der Bauunternehmer hätte daher nur einen Anspruch auf den geminderten Werklohn.

Der Fall landete vor dem OLG und dieses machte die beiden Parteien auf eine Gesetzesänderung zum 1.1.2018 aufmerksam. Nach dieser bedürfen Verbraucher-Bauverträge der Textform. Der Vertrag benötigt zwar keine Unterschriften, der gesamte Vertrag (und damit auch der Zuschlag der Bauherrin) muss aber in einem Text (z.B. E-Mail, Fax o.ä.) dokumentiert sein. Da der Bauvertrag im 2. Halbjahr 2018 geschlossen und die Gesetzesänderung nicht bedacht wurde, war der Vertrag wegen des Formverstoßes von vornherein nichtig. Damit fehlte für die Berechnung des Werklohns eine vertragliche Grundlage und auch die Gewährleistungsansprüche der Bauherrin setzten einen wirksamen Vertrag voraus. Die Parteien haben daraufhin eine gütliche Einigung erzielt.

Anmerkung: Vor diesem Hintergrund sollte bei einem Vertragsabschluss genau auf die gültigen Formvorschriften geachtet werden.

Schadensersatz – Pflichtverletzung im Rahmen einer Kaufrückabwicklung

Die Ablehnung des Verkäufers, die fehlerhafte Ware zurückzunehmen, die der Käufer nach seinem Rückzug aus dem Kaufvertrag angeboten hat, könnte in bestimmten Einzelfällen als Missachtung der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme gewertet werden. Dies kann zu einem Anspruch des Käufers auf Schadensersatz gegen den Verkäufer führen.

In einem vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall hatte ein Bauunternehmen von einem Lieferanten 22.000 t Recycling-Schotter gekauft. Vier Jahre später stellte sich heraus, dass dieser mit Arsen belastet war. Der Lieferant weigerte sich jedoch, das Material zurückzunehmen. Das Bauunternehmen musste – aufgrund eines durch die Bauherrin angestrengten Prozesses – das Material selbst entfernen und neues einbringen. Die 1. Klage des Bauunternehmens gegen den Lieferanten hatte Erfolg und dieser musste den Kaufpreis zurückzahlen sowie die Mehrkosten für neuen, mangelfreien Schotter übernehmen. Der Lieferant weigerte sich jedoch den kontaminierten Schotter abzuholen. Daraufhin kam es zu einem weiteren Rechtsstreit und der Bauunternehmer verlangte u.a. die Übernahme der Kosten für den Ausbau und Abtransport des Schotters (über 800 Lkw-Fuhren) in Höhe von ca. 1,3 Mio. €. In den beiden ersten Instanzen verlor er, doch vor dem BGH hatte das Bauunternehmen Erfolg.

SPRUCH

Es gibt schweigsame Menschen, die interessanter sind als die besten Redner.
Benjamin Disraeli; 1804 – 1881, britischer Staatsmann